Kieferchirurgie beim Hund – Veränderungen der Mundhöhle

Kieferchirurgie beim Hund
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Veränderungen in der Mundhöhle unserer Haustiere können vielfältig sein. Neben den “normalen” Veränderungen wie z. B. Zahnstein, Plaque oder Zahnfleischentzündung (Gingivitis) spielen auch Zahnfehlstellungen, Zahnfrakturen, angeborene Defekte zum Beispiel Gaumenspalten oder Umfangsvermehrungen, wie Epuliden und Tumoren eine Rolle. Zur Behandlung der drei Letztgenannten kommt die Kieferchirurgie bei Hunden zu Einsatz

Gaumenspalten

Wie beim Menschen auch, ist die Gaumenspalte eine angeborene Veränderung des Oberkiefers. Sie entsteht, wenn sich bei der embryonalen Entwicklung des Fötus der Gaumen, der Nasen- und Mundhöhle voneinander trennt, nicht oder nicht vollständig geschlossen hat. Beim Saugen kann der Welpe keinen Unterdruck erzeugen und somit nicht selbständig bei der Mutter trinken. Nahrung, die er aufnimmt, kann von der Mundhöhle in die Nase gelangen.

Ein erstes Zeichen für eine Gaumenspalte bei einem Welpen ist das Herauslaufen von Milch aus der Nase. Diese Fehlbildung lässt sich bereits ab einem Alter von 8 bis 12 Wochen mit Hilfe verschiedener Techniken, je nach Größe der Gaumenspalte chirurgisch verschließen, so dass eine normale Weiterentwicklung des vierbeinigen Patienten gewährleistet ist. Glücklicherweise kommen Gaumenspalten nicht sehr häufig vor.

Schwellungen und Tumoren

Bereits kleine Schwellungen am Kiefer können ein Hinweis auf ein tumorartiges Geschehen sein, wobei der Begriff Tumor lediglich eine Zubildung von Gewebe beschreibt und keine Aussage darüber trifft, ob diese gut- oder bösartig ist. Je eher man eine solche Zubildung erkennt, desto besser kann sie behandelt werden. Zunächst sollte eine Gewebeprobe (Biopsie) entnommen und untersucht werden. Dabei werden Art sowie Bösartigkeit des Tumors beurteilt und, basierend auf den Untersuchungsergebnissen, nachfolgende Behandlungen individuell geplant.

Tumoröse Mundhöhlenveränderungen des Hundes sind mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 75 % bösartig. Aufgrund schlechter Zugänglichkeit und Untersuchung der Mundhöhle, werden diese Veränderungen häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium durch Blutungen, Speicheln oder veränderte Futteraufnahme bemerkt.

Wenngleich auch dann noch geholfen werden kann, ist der nachhaltige Erfolg einer Therapie entscheidend vom Zeitpunkt der Behandlung abhängig. Deshalb empfiehlt es sich, regelmäßig einen kritischen Blick in das Maul seines Hundes zu werfen.

Epuliden

Eine der am häufigsten vorkommenden und zumeist gutartigen Umfangsvermehrungen der Mundhöhle sind die so genannten Epuliden. Diese “Zahnfleischtumoren” sind nicht streuende, tumorartige Mundhöhlenveränderungen. Es handelt sich um derbe, multipel oder vereinzelt auftretende höckerig-pilzartig auf dem Zahnfleisch aufsitzende Umfangsvermehrungen, welche in der Regel langsam wachsen. Sie fallen dem Halter häufig erst durch Mundgeruch infolge eitriger Begleitentzündung und später durch Blutungen aus dem Fang auf, die durch Einbiss in die Umfangsvermehrung resultieren können.

Sie stellen etwa 25 % aller tumorartigen Mundhöhlenveränderungen dar und treten besonders häufig beim Boxer auf, werden aber rasseunabhängig festgestellt. Epuliden können mittels Hoch-Frequenz-Chirurgie (mit einem “elektronischen Skalpell”) entfernt werden, wodurch auch Rezidive weniger häufig auftreten. Akanthomatöse Epuliden (semi-maligne) metastasieren zwar ebenfalls nicht, sind aber sehr in das Knochengewebe wachsende Veränderungen, die jedoch chirurgisch gut behandelbar sind.

Plattenepithelkarzinom, Fibrosarkom, malignes Melanom

Zu den häufigsten bösartigen Tumoren in der Mundhöhle zählen das Plattenepithelkarzinom, Fibrosarkom, Lymphosarkom und das maligne Melanom. Neben der Umfangsvermehrung und der damit möglicherweise verbundenen funktionellen Einschränkung des Tieres (Kauen, Schlucken) wachsen diese Tumoren oft in das umliegende Gewebe hinein und führen dort zu Zerstörung der Strukturen.

Zähne können dadurch verloren gehen, Knochen wird zerstört und es kann zu tumorbedingten Kieferfrakturen kommen. Hier hilft dann nur noch die chirurgische Entfernung im gesunden Gewebe. Das hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Tumor mit einem ausreichenden Abstand von in der Regel mindestens ca. 1,5-2 cm im gesunden Gewebe entfernt werden kann. In fortgeschrittenem Stadium müssen manchmal Teile oder der gesamte Ober- oder Unterkiefer entfernt werden, um eine weitere Ausdehnung des Prozesses verhindern zu können.

Vorhandene wichtige anatomische Gegebenheiten im Kopfbereich wie Nerven- und Gefäßverläufe sowie direkte angrenzende Organe (Augenhöhle, Nasenhöhle) sollten soweit möglich bei einem Eingriff geschont werden und wirken so auch ggf. als limitie-render Faktor. Damit macht also nur eine frühzeitige Operation eine vollständige Entfernung des Tumors möglich.

Ist Letzteres nicht mehr durchführbar, kann der chirurgische Eingriff durch die Bestrahlungen, Chemotherapie, Immuntherapie und Antiangioge-nesetherapie ergänzt werden und dem Patienten bei erhaltener Lebensqualität eine verlängerte Lebenserwartung schenken. Je-doch sollten bei der Behandlung des Tumorpatienten immer die Lebensqualität und das Allgemeinbefi nden im Vordergrund stehen.

Leben wie ein Hund nach einem schweren Eingriff?

Hunde kommen selbst mit größerem Substanzverlust wie dem von größeren Kieferarealen im Ober- und Unterkiefer gut zurecht, und diese Operationen sind mit sehr guten kosmetischen Ergebnissen durchführbar.

Patientenbesitzer haben häufig emotionale Vorbehalte diesen Eingriffen gegenüber, die nicht selten wertvolle Zeit verstreichen lassen, bis sie sich letztlich doch für die Operation entscheiden, ob der fehlenden Alternative. Die Hunde selbst sind bereits am nächsten Tag nach der OP nur noch wenig beeinträchtigt und finden sich – je nach Ausmaß der Operation – in der Regel gut mit der neuen Situation zurecht.

Text und Fotos: Dr. med. vet. Dietmar Bücheler, Fachtierarzt für Zahnheilkunde Kleintiere Tiergesundheitszentrum für Kleintiere Overath, Zahn-Zentrum für Kleintiere, Zahn-Mund-Kieferheilkunde, Kieferchirurgie-Kieferorthopädie
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