Sprachtherapie mit Hunden

Der Beruf des Logopäden/Sprachtherapeuten zeichnet sich durch große Abwechslung aus: Menschen unterschiedlichen Alters, verschiedene Einsatzorte und auch die vielen Krankheits- und Störungsbilder prägen die therapeutische Arbeit.

Daneben gibt es zahlreiche Behandlungsverfahren und Therapiemöglichkeiten. Hunde sind dabei ein wichtiger Teil dieser Therapien geworden. Gerade bei Kindern mit Sprachproblemen können Diplom-Rehabilitationspädagogin (Schwerpunkt Sprachheiltherapie) Annika Spiegel und ihr Pudel Oskar Barrieren überwinden und große Fortschritte in der Logopädie erzielen.

Sprachtherapie mit Hunden
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Hallo Oskar! Hallo Frau Oskar!

Annika Spiegel musste sich nicht lange daran gewöhnen, mit „Frau Oskar“ von ihren kleinen Patienten begrüßt zu werden, wenn sie Kliniken, Kindergärten, Förderschulen besucht oder Hausbesuche macht. Pudel Oskar ist ein Herzensbrecher und öffnet schnell Türen bei erwachsenen Patienten, aber ganz besonders eben bei Kindern, ob mit oder ohne Behinderung.

“Da bin ich gern ‚Frau Oskar‘“, lacht die Rehabilitationspädagogin. Bei ihrer therapeutischen und fördernden Arbeit rund um Sprache und Sprechen, Stimme und Schlucken, Lesen und Schreiben, geht es vor allem darum, kleine Patienten „bei Laune zu halten“ und mit Freude lernen. „Deshalb kleiden wir die Sprachtherapie in spielerische Kontexte. Das ist eine tägliche Herausforderung“, so Annika Spiegel.

Was hat Oskar, was Fiffi nicht hat?

Königspudel Oskar ist drei Jahre alt und begleitet die Sprachtherapeutin seit seiner zehnten Lebenswoche. Beide besuchen von Beginn an die Hundeschule und wurden in der ganzen Zeit von einer Ausbilderin für Therapiehunde begleitet.

Denn eine umfassende Ausbildung und Vorbereitung des Hundes auf seine Arbeit ist eine wichtige Grundvoraussetzung für den verantwortungsvollen Umgang mit Mensch und Tier. Genauso relevant ist die Einhaltung rechtlicher und hygienischer Bestimmungen, sowie die medizinische Versorgung des Hundes. Dies dient auch dazu, die Akzeptanz und das Vertrauen der Umwelt in den tiergestützten Einsatz zu festigen.

In Deutschland gibt es derzeit durchaus qualitativ hochwertige Ausbildungen für therapeutisch/pädagogische Mensch-Hund-Teams, eine staatliche Regelung besteht aber noch nicht.

Kompetente Fachkreise verschiedenster Disziplinen erarbeiten jedoch Qualitätsmaßstäbe und Anforderungen für tiergestützte Interventionen. Gerade Kinder mit Behinderungen (z.B. Autismus, Trisomie 21, etc.) erhalten gezielte, ressourcenorientierte, sprachtherapeutische Unterstützung, um die Entwicklung der kommunikativen Kompetenzen und damit die Persönlichkeit zu fördern.

In den USA sind tiergestützte Interventionen schon lange ein Thema

Tiere und insbesondere Hunde können hier einen wichtigen Part übernehmen. „International, vor allem in den USA, sind tiergestützte Interventionen schon seit 50 Jahren ein großes Thema. Hunde befinden sich dort ganz selbstverständlich in den unterschiedlichsten Einsatzbereichen.

Auch in Deutschland trifft man heute immer häufiger Pädagogen und Therapeuten in vierbeiniger Begleitung. Oskar unterstützt mich bei meiner Arbeit, die Ziele in der Sprachtherapie mit Hunden zu erreichen“, betont Annika Spiegel.

Trotz oftmals stark eingeschränkter kommunikativer Fähigkeiten erfahren die betreffenden Kinder so die Möglichkeit:

  • vorurteilsfrei in ihrer Art der Kommunikation angenommen und verstanden zu werden
  • über das Wahrnehmen und Erlernen von Körpersprache/Mimik im Kontakt mit dem Hund Selbstwirksamkeit zu spüren (Einsatz von Handzeichen, Gesten, Wörtern) und dies auf menschliche Sozialkontakte zu übertragen
  • durch spannende Erlebnisse mit dem Hund ihre Kommunikationsbarrieren zu überwinden, was wiederum das Mitteilungsbedürfnis fördert
  • über den Hund als Kontaktpartner Bindung zu anderen Mitmenschen aufzubauen und soziale Kontakte zu aktivieren.

So kann die Begleitung eines gezielt eingesetzten Hundes zur Steigerung des Selbstwertgefühls, zur Vermittlung von Nähe, Akzeptanz, Sicherheit und Lebensfreude, zum Wahrnehmen von Entspannung und Ruhe führen sowie dazu, Empathie, Toleranz und Respekt zu entwickeln. Das Einhalten von Regeln wird im Miteinander geschult und ist Voraussetzung für einen fairen Kontakt.

Wenn Oskar Melek besucht

„Oskar begleitet mich mit viel Motivation regelmäßig in eine Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung. Dort erhält Melek, sechs Jahre, Sprachtherapie von einem Hund. Melek ist ein äußerst lebendiges, neugieriges Mädchen mit Trisomie 21, das mutig und schnell auf Mensch und Tier zugeht.

Zu Beginn der Sprachtherapie verständigte sie sich ausschließlich über Zeigen, Gesten oder einfachste Lautäußerungen. Zu den wichtigsten Zielen der Therpie gehört die Förderung der Kommunikation war.“ Im Umgang mit Oskar stand zuerst die Erarbeitung einfacher Regeln im Vordergrund, wie die Akzeptanz des Rückzugsortes, Streichelzonen, Lautstärke oder Belohnung.

Da Melek stürmisch im Kontakt mit Oskar war, reagierte er zunächst teils mit ruhigem Rückzug. Melek lernte schnell, sich zurückzunehmen und Oskar zu beobachten, um in Kontakt mit ihm bleiben zu können. Dies wirkte sich auch auf unseren Kontakt aus: durch die zunehmende Ruhe und Aufmerksamkeit war eine Grundlage entstanden, Regeln und Grenzen gemeinsam anzubahnen und zu erleben.

Hund legt Grundstein in der Kommunikation

Unsere Beziehung wuchs durch die gemeinsame Beobachtung des Hundes. Durch den Einsatz einfacher Handzeichen für zum Beispiel Sitz oder Komm, konnte mit Oskars Hilfe der Grundstein für die Unterstützung der Kommunikation durch Gebärden gelegt werden.

Eine häufig genutzte Möglichkeit, um Kinder an die Verwendung von Lautsprache heranzuführen. So schaffte es Melek durch zielgerichtete Gebärden schnell, erste einzelne Gebärden im Kontakt mit Spiegel und ihren Lehrern zu benutzen. Beim Frühstück fragt sie heute nach „Wurst“, „Käse“ oder „Milch“ mit der passenden Gebärde und zunehmend begleitet durch Sprache.

In der letzten Therapieeinheit überraschte Melek Annika Spiegel mit ihrem ersten gebärdengestützten und sprachlich begleiteten, gut verständlichen 2-Wort-Satz, zu ihrem Lieblingsthema. Die Therapeutin holte sie ohne Oskar ab, sie schaute Spiegel erstaunt an, klopfte sich auf den Oberschenkel (=Hund), zeigte in Richtung des Therapie-Raumes (=da) und fragte dazu: „Ossa da?“

Trotz aller positiven Ergebnisse muss man sagen, dass der Hund kein Allheilmittel ist. Der Erfolg des tiergestützten Einsatzes für Kind/Hund/Therapeut wird durch die Beziehung zwischen Hund und Therapeut bestimmt. Bindung, Vertrauen, Flexibilität im Handeln sind Anforderungen, die über die Kompetenzen eines Besuchshundes hinausgehen.

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