Taubheit beim Hund – Wenn der Hund nicht hört

Taubheit beim Hund
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„Shari“ ist von Geburt an taub. Aufgewachsen in Spanien, wurde sie im Januar 2016 auf eine Pflegestelle nach Deutschland vermittelt. Tierheilpraktikerin Jacqueline Karnitz berichtet über den täglichen Umgang mit der Taubheit und das alltägliche Zusammenleben mit dem Hund. Der Artikel macht Mut, einen Hund mit Handicap zu adoptieren. Es lohnt sich!

„Shari“ kommt aus Spanien und lebte dort offensichtlich nur im Garten. Irgendwann wurde sie dem Besitzer überdrüssig und er brachte sie in ein Tierheim Er teilte dem Tierheim mit, der Hund sei von Geburt an taub. Die Taubheit fiel aber kaum auf, da sich „Shari“ an den anderen Hunden orientierte.

Schritt ins neue Leben

Bevor wir uns dazu entschieden die Hündin auf der Pflegestelle in Deutschland zu besuchen, hielten wir nach einem Hundetrainer Ausschau. Denn wir wollten uns im Vorfeld Tipps holen, was zu beachten ist.

Die Hundeschule Hounds in Köln ist auf Windhunde spezialisiert und die Trainerin Kathrin Korthauer hat bereits mehrfach mit tauben Hunden und ihren Haltern gearbeitet. Sie gab uns wertvolle Tipps, was uns Mut machte, die Hündin einmal anzusehen.

„Shari“ kam uns schwanzwedelnd entgegen und schmiss sich uns zu Füßen. Während der nächsten drei Stunden hatte sie bereits unsere Herzen erobert. Einer unserer Hunde wollte gleich mit „Shari“ spielen.

Das war doch schon mal ein gutes Zeichen. Wieder zu Hause, öffneten sich uns viele Fragen: Wie kommuniziere ich mit dem Hund? Wie wird die Bindung sein? Wie festige ich die Bindung? Wie kommunizieren unsere anderen beiden Hunde mit „Shari“? Nehmen sie „Shari“ dauerhaft an?“ Und vor allem: Werden wir dem Hund gerecht?
Die ersten Tage und Wochen nach dem Einzug von „Shari“ waren turbulent.

Zu Beginn starrte sie nur nach unten. Geduldig mit Handzeichen und Leckerli versuchten wir einen Blickkontakt herzustellen, was uns auch nach endlos scheinenden Tagen gelang. Das erste Erfolgserlebnis. Von Beginn an lief „Shari“ uns ständig hinterher.

Was wollte sie uns damit sagen? Verlustangst? Kontrolle? Wir mussten sie ein halbes Dutzend Mal mit Leine zurück auf ihren Platz bringen um ihr Sicherheit zu vermitteln.

Auch das Einschlafen war ein großes Problem. In der fremden Umgebung fiel es ihr sichtlich schwer, sich in den Schlaf fallen zu lassen bzw. auch durchzuschlafen. Die ersten Nächte waren dementsprechend kurz.

Das Training

Das Training, mit Unterstützung durch die Hundeschule Hounds, gestaltete sich zu Beginn zäh. „Shari“ konnte sich nicht lange konzentrieren. Sie kannte nicht das Geringste und baute nur langsam eine Bindung auf. Mit unseren beiden anderen Hunden hatte sie keine Kommunikationsprobleme: „Greta“ grenzte klar ihr Revier ab und mit „Dejan“ konnte man stundenlang spielen. Das gab uns Hoffnung. Wir hatten ein großes Ziel: „Shari“ sollte irgendwann ohne Leine laufen.

Zunächst einigten wir uns auf einige eindeutige Sichtzeichen – die wir auf einem Zettel vermerkten – damit wir einheitlich arbeiteten. Dazu gehörten Lob, Komm, Bleib, Sitz und Platz. Wir übten eins nach dem anderen. Uns wurde sehr schnell klar, dass „Shari“ das Lernen schwerfiel. Wir begannen mit Vibrationshalsband – nicht zu verwechseln mit einem Stromhalsband – und Schleppleine zu trainieren.

Zunächst sollte „Shari“ lernen, die Vibration als etwas Gutes kennenzulernen. Unser Ziel war es, dass „Shari“ bei Vibration lernt uns anzuschauen, sodass wir sie per Handzeichen zurückholen konnten. Die Reaktion auf das Vibrieren hatte nach einiger Zeit Erfolg, aber das Zurückwinken klappte mehr schlecht als Recht. Wir schoben das auf die noch nicht gefestigte Bindung.

Das Training zog sich einige Monate hin. „Shari“ suchte auch ohne den Vibrationsimpuls immer wieder den Blickkontakt zu uns.

Im Laufe der nächsten Monate lernte sie die üblichen Grundkommandos. Sie gab Pfötchen und man merkte, dass sie Spaß am Lernen entwickelte. Und wir gewöhnten uns daran, dass sie eben für alles etwas länger brauchte.

Erfolgserlebnisse

Anfang Oktober 2017 – über ein Jahr nach Trainingsbeginn – war es soweit: Das erste Mal ein Spaziergang ohne Leine. Wir waren mächtig aufgeregt, als „Shari“ loslief. Zunächst blieb sie in unserer Nähe, folgte aber dann den anderen Hunden der Gruppe. Unser Blutdruck stieg. Plötzlich blieb „Shari“ stehen und schaute zu uns zurück. Wir winkten sie heran, und sie kam zu uns zurück. Welch ein Glücksgefühl!

Zurückblickend stellen wir fest, dass wir uns alles viel schwieriger und komplizierter vorgestellt hatten. Es ist wichtig, dem Hund und sich selbst Zeit zu geben. „Shari“ hat zweifellos unser Leben verändert und bereichert. Es ist nicht immer leicht mit Handicap-Hunden, aber wir bereuen keine Minute.

Jaqueline Karnitz, www.tierheilpraktiker-karnitz.de

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