Erziehungshilfen für Hunde bringen oft mehr Leid als Erfolg!

Erziehungshilfen für Hunde
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Die Auswahl an sogenannten Erziehungshilfen für Hunde ist groß und vor allem über das Internet oder Tierzubehör-Shops frei zugänglich. Viele entnervte Hundehalter greifen im Glauben an die Lösung ihrer Probleme häufig unwissend zu Mitteln, deren Erfolg zweifelhaft ist oder deren Anwendung Schmerzen zufügt. Doch was hilft bei der Erziehung und wovon lässt man besser die Finger?

Es gibt nichts, was es nicht gibt

Führhalfter, Wurfschellen oder -ketten, Rütteldosen, Sprühhalsbänder, Anti-Ziehleinen, Maulschlaufen/Maulkorb, Würgehalsband … Ein bunter Strauß von Utensilien, die Mensch dem Hund umschnallt und selten weiß, wie diese Vorrichtungen tatsächlich auf den Hund einwirken.

Außerdem werden Erziehungshilfsmittel häufig dauerhaft verwendet. Dabei sind sie nur vorübergehend anzuwenden und sollen lediglich zur Unterstützung der Arbeit mit dem Hund und seinem Menschen dienen. Denn nichts erledigt sich von allein.

Ein Führhalfter ist kein Halsband

Beim Halti und auf dem Markt existierenden Variationen handelt es sich um ein Erziehungs- bzw. Ausbildungshalfter. Sie sind nur bei sachkundiger Anleitung und Anwendung ein schonendes und wirksames Mittel zur Reizunterbrechung bei Hunden, die an der Leine aggressiv Artgenossen oder Menschen gegenüber sind. Mit dem Halti wird zwar der hundetypische “Schnautzengriff” imitiert, das allein unterbindet aber nicht das Ziehen an der Leine.

Außerdem muss der Hund langsam an das Halfter gewöhnt werden und der Halter den Umgang üben, denn bei unsachgemäßer Handhabung drohen Schäden an den Halswirbeln des Tieres, die im schlimmsten Fall zu Lähmungen führen können.

Zur richtigen Anwendung benötigt man beide Hände, denn das eine Ende der Leine wird am normalen Halsband oder Geschirr des Hundes befestigt, das andere Ende an dem Halti unterhalb der Hundeschnauze. Nur wenn der Hund unerwünschtes Verhalten zeigt, wird mit der zweiten Hand der Kopf des Hundes sanft zum Halter und damit weg vom Ablenkungsobjekt geführt. Gleichzeitig müssen Kommunikationsstrukturen zwischen Hund und Halter implementiert sowie Alternativverhalten erlernt und positiv verstärkt werden.

Sprühhalsbänder sind nicht harmlos

Wenn ein jederzeit auszulösender Sprühstoß für den Hund harmlos sein soll, wieso kann er dann instinktives und genetisch fixiertes Verhalten wie beispielsweise das Jagen unterdrücken? Und können plötzlich auftretende Zischlaute beim bellenden Hund gar nicht schlimm sein?

Leider nein – denn genau diese Laute lösen beim Hund grundsätzlich Angst aus. Aus Sicht des Hundes muss er sofort die Flucht ergreifen. Bei gleich mehrfach ausgelösten Sprühstößen gerät der Hund in Panik, weil er lernt, dass es aussichtslos ist, sich durch Flucht vor dieser anhaltenden Bedrohung retten zu können!

Mehr noch, der Hund weiß nie, wann der Sprühstoß ausgelöst wird, und befindet sich deshalb in ständiger Erwartungsunsicherheit. Und bald wird das Warten auf den Strafstoß zermürbender als der eigentliche Reiz. Zusätzlich birgt die Anwendung Gefahren, z. B. die Negativverknüpfung des Straffreizes mit zufällig auftretenden Elementen wie Kindern oder Joggern.

Und zu guter letzt generalisiert der Hund die Geräusche und zuckt bei jedem Zischlaut zusammen. Sprühhalsbänder gaukeln dem Hundehalter vor, per Fernbedienung die Probleme lösen zu können. Tatsächlich beseitigt das nicht deren Ursachen, sondern schafft neue. Sprühhalsbänder sind nur in extremen Ausnahmefällen hilfreich.

So zum Beispiel, wenn durch einen gezielten Sprühstoß ein ehemaliger Straßenhund davon abgehalten wird, wahllos alles wie z. B. Glasscherben zu fressen und damit sein Leben gerettet werden kann. Aber auch hier müssen zusätzlich langfristige Lösungswege von Hund und Mensch erarbeitet werden.

Bauch-, Bein- und bald auch Poleine?

Zugegeben – ein ständig an der Leine ziehender Hund nervt. Aber wie sagt man so schön: der Strick ist keine Lösung. Weder der alleinige Einsatz einer Beinleine, die den Hund ruckartig hinter dem Halter herschleift, noch der einer Bauchleine, die sich um Hals sowie Bauch und womöglich noch um die Genitalien zieht, bringt einem Hund bei, dass er nicht ziehen soll. Sie verschlechtern nur das Verhältnis zwischen Hund und Halter, indem sie dem Tier Schmerzen zufügen.

Und da wären wir dann bei der Leine für den – vornehm ausgedrückt – Po, denn all jene Leinen sind für eben diesen. Ein mit “Anti-Ziehleinen” oder Würgehalsbändern maltretierter Hund vermeidet das Ziehen, um den Schmerzen zu entgehen. Das baut weder Vertrauen beim Tier auf, noch erarbeitet es Verlässlichkeit, wenn der Hund freiläuft. Wer würde da schon gerne wieder angeleint werden?

“Sanfte Erziehung” mit Wurfgeschossen

Eine Verstärkung des Kommandos “Nein” durch gezieltes Werfen von Schellen, Disk oder leichten Wurfketten ist ein Mittel, welches auf Entfernung eingesetzt werden kann. Es dient als Reizunterbrechung und macht den Hund wieder ansprechbar für ein Kommando zum Alternativverhalten. Das ist aber kein Freibrief dafür, dem Hund diese Dinge auf kurze Distanz oder auf den Körper zu werfen. Mit ein bisschen Arbeitswillen lässt sich der Einsatz zumeist ganz vermeiden oder so reduzieren, dass er zu den absoluten Ausnahmen gehört.

Ebenso ist das Arbeiten mit Rütteldosen nur absolut differenziert anzuwenden. Starke akkustische Signale sind immer auch ein Schock für den Hund, darüber sollte man sich bewusst sein. Unsachgemäß eingesetzt richten sie mehr Schaden an als sie nützen. Denn wenn der Hund nicht versteht, welches Verhalten er lassen soll, hält ihn auch eine mit Nägeln gefüllte Dose nicht davon ab. Er stumpft ab, und was dann? Hilfsmittel ersetzen nicht die Arbeit mit dem Hund.

Fazit

Mit Erziehungshilfen hält man nicht die Lösung für entstandene Verhaltensprobleme in den Händen. Verhaltensauffälligkeiten haben Ursachen. Kennt man diese, ist auch der Auslöser für unerwünschtes Verhalten gefunden. Kommunikations- und Verhaltenstraining von Mensch und Hund bietet die effektivste und eine dauerhafte Lösung der Probleme. Hilfsmittel können in einzelnen Fällen dabei die Arbeit unterstützen. Professionelle Anleitung im Umgang mit ihnen ist allerdings unverzichtbar.


Beitrag: Burga Torges, Hundetrainerin Düsseldorf

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